VC7

Knastzeichnungen

Knastzeichnungen. Die Justiz ein heimlicher Kunstmäzen?
9. Juni 2017 - 30. Juni 2017

Andreas Züsts Kamera bildete sein eigentliches Auge. Mit ihr hielt er visuelle Phänomene in Stadt und Natur fest und fotografierte, immer auf der Suche nach disparatesten Phänomenen, Menschen, Eisstrukturen und Bushässuchen. Ihrem monothematischen Charakter folgend tragen die darüber entstandenen Werkserien Titel wie „Himmel“, „Kreisel“ oder „Bekannte Bekannte“ (vgl. unterschiedlichste Publikationen der Edition Patrick Frey). In seinem in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren entstanden malerischen Werk kom - binierte Andreas Züst die Malerei mit fotografischen Belichtungsverfahren (sowie dem Zeichenstift). Doch was geschieht, wenn ein Künstler, eine Künstlerin sein/ihr vertrautes - tes Medium nicht mehr zur Hand hat? Eine einzige vom Künstler überlieferte Werkserie gibt Antowrt darauf: Eine zeichnerische Studie mit dem Titel „Die Justiz ein heimlicher Kunstmäzen? Knastzeichnungen“.

Entstanden ist diese Serie aus 103 Zeichnungen bei einem kürzeren Gefängnisaufenthalt zu Beginn der 1980er-Jahren, vermutlich 1983. Und so wenig sich genauere Fakten dazu finden lassen – der entsprechende Strafregisterauszug ist gelöscht und richtig an Details erinnern kann sich auch niemand mehr –, so klar sprechen die Zeichnungen für sich: Die Serie, fast ausnahmslos A4 Bögen bearbeitet mit Graphit, Fineliner und allenfalls Kohle zeigt räumlich detaillierte Zeichnungen der Gefängnisinneneinrichtung, Frottagen unterschiedlicher Oberflächenstrukturen der Zelle, künstlerisch-philosophische Gedan - kengänge zum Thema Strafen und skizzierte Ausbruchsfantasien. Viele der Zeichnungen hat Andreas Züst mit bissigen Bildunterschriften ergänzt. Die Originale sind verschollen, im Nachlass Andreas Züst befinden sich nur mehr 103 Fotokopien der Serie, von der ein Auszug 1984 unter dem Titel „Die Justiz ein heimlicher Kunstmäzen? Knastzeichnungen“ in der Zeitschrift Hans Kultur erschienen ist. Es ist eine Serie, die Andreas Züst ein weite - res Mal als einen Künstler ausweist, welchem in seiner phänomenologischen Arbeitswei - se auch eine Gefängniszelle ein Erkenntnisgewinn sein konnte.

Badenerstrasse 123a, 8004 Zürich, Schweiz
  • Kurator:in:
  • Mia Odermatt
  • Fosca Tóth